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Wie entstehen Gefühle?

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Um zu wissen, wie man mit Gefühlen umgeht, ist es hilfreich zu wissen, wie diese entstehen. Vielleicht ist dieses Thema für manche nur nebensächlich. Bei mir sind Gefühle von elementarer Bedeutung. In meinem Geburtshoroskop steht der Mond im Krebs. Mich beuteln die Gefühle schon mein Leben lang, ich habe manchmal regelrecht körperliche Schmerzen, weil die Gefühle sind intensiv sind. Inzwischen kann ich besser damit umgehen und es bricht nicht jedes Mal eine Welt zusammen, wenn ich stark emotional auf eine Situation reagiere.

Eines vorne weg: Gefühle wollen gefühlt werden. So sind wir als Menschen konzipiert. Bei positiven Gefühlen wie Liebe, Lebensfreude, Glück usw. ist das auch kein Problem. Schwierig wird es bei unangenehmen Gefühlen wie Trauer, Angst, und Wut.

Wenn wir einen lieben Menschen verlieren, sei es durch Tod oder Trennung, ist das Gefühl von Trauer ganz normal. Es dauert seine Zeit, bis so etwas verarbeitet ist und die Trauer begleitet uns manchmal sehr lange.

Leider bekommen wir keine Anleitung, wie wir mit belastenden Gefühlen umgehen sollen. Wir lernen ziemlich bald, dass negative Gefühle etwas sind, was man am besten schnell wieder los wird. Diese Strategie ist auf lange Sicht ungünstig. Man weiß heute, dass sich die Emotionen, die nicht bearbeitet oder gefühlt werden, im Körper festsetzen und so Krankheiten begünstigen können.

Wie entstehen Gefühle?

Zuerst tritt das Ereignis ein. Das ruft Gedanken in uns hervor. Meistens sind diese Gedanken geprägt von früheren, ähnlichen Erfahrungen. Der Vorgang läuft so schnell ab, dass wir ihn gar nicht bewusst wahrnehmen, das kann in Millisekunden geschehen. Aufgrund der Gedanken entsteht eine körperlich-chemische Reaktion im Gehirn. Diese chemische Reaktion, die durch unserer Gedanken entsteht, ruft dann die Gefühle hervor.

Die Gefühle bringen nun weitere Gedanken hervor, die wiederum weitere chemisch-emotionale Reaktionen bewirken. Das kann wie eine Spirale immer weiter gehen, je nachdem wie sehr man sich darauf einlässt.

Die Geschichte mit dem Hammer

Es gibt eine ganz bekannte Geschichte, die das wunderbar veranschaulicht:

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüber zu gehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er »Guten Tag« sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“
Wieder in seiner Wohnung sitzt er da mit seinem Bild in der Hand – enttäuscht und verzweifelt über seine Mitmenschen. Und er beschließt ganz fest: „Nie wieder sprech ich einen an!“

Die Geschichte stammt aus dem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ von dem Philosophen Paul Watzlawick.

Die Gefahr besteht also darin, dass wir Opfer unserer Gedanken und Gefühle werden und wir ihnen unkontrolliert ausgeliefert sind. Das muss nicht so sein. In der Kognitiven Verhaltenstherapie zum Beispiel geht man davon aus, dass Gefühle davon abhängen, wie wir eine Situation bewerten.

Anhand des Beispiels mit dem Hammer kann man das sehr gut erkennen. Letztlich  beruhen in der Geschichte alle Gedanken auf Interpretationen und Annahmen, nicht auf Fakten.

The Work von Byron Katie

Es gibt eine sehr schöne Methode, um aus dem Gedankenkarussell auszusteigen: „The Work“ von Byron Katie. Ihr Ansatz beruht auf vier Fragen, die man sich am besten in einer ruhigen Minute stellt, wenn man eine Situation reflektiert.

Die Gedanken werden auf folgende Fragen überprüft:

  1. Ist das wahr?
  2. Wie reagiere ich auf den Gedanken?
  3. Wer wäre ich/wie wäre es, wenn ich diesen Gedanken nicht denken würde?
  4. Gibt es einen Grund, der keinen Stress verursacht, an diesem Gedanken festzuhalten?

Wenn wir das Beispiel von oben aufgreifen, würde „The Work“ so aussehen:

  • Ist das wahr? Ich würde die Situation so zusammenfassen: Ist es wahr, dass der Nachbar dem Mann den Hammer nicht ausleihen möchte. Dies können wir eindeutig mit NEIN beantworten.
  • Wie reagiere ich auf den Gedanken:? Ich würde sagen, der Mann in unserem Beispiel fühlt sich abgelehnt und zurückgewiesen.
  • Wie wäre die Situation, ohne den Gedanken? Er könnte ganz neutral bei seinem Nachbarn klingeln und anfragen, ob er sich einen Hammer ausleihen könnte.
  • Gibt es einen Grund, der keinen Stress verursacht, an diesem Gedanken festzuhalten? Um dies genau beantworten zu können, müssten wir mehr über den Mann wissen, welche Erfahrungen er schon in seinem Leben gemacht hat. Von außen betrachtet, gibt es keinen Grund, an dem Gedanken festzuhalten.

So oder ähnlich könnte es aussehen, wenn wir eine Situation reflektieren, die uns emotional sehr aufgewühlt hat.

In der Kognitiven Verhaltenstherapie geht man ähnlich vor, man überprüft die Gedanken auf ihren Wahrheitsgehalt. Sind dann Gedanken als unwahr entlarvt, kann man sich auch emotional entspannen. Wenn man das nächste Mal in eine ähnliche Situation kommt, braucht die ganze Gedankenspirale nicht mehr automatisch abgespult werden. Die neue Einschätzung der Situation kann abgerufen werden und die belastenden Gefühle müssen gar nicht mehr entstehen.

Er-Lebt man die veränderten Bedingungen ein paar Mal, können sie sich etablieren und so können Situationen, die früher katastrophal waren, ganz entspannt stattfinden.

Das Einzigartige am Menschsein ist unsere Fähigkeit zu fühlen. Es gibt eine riesige Palette voller Gefühle, sie machen unser Leben bunt und lebenswert. Gefühle sind unsere Freunde. Wir wissen, dass wir ihnen nicht hilflose ausgeliefert sind und dass sie uns nichts Böses wollen. Sie gehören einfach dazu. Wenn wir das so akzeptieren, wird unser Leben immer intensiver und leichter.

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